Der Sucher einer Kamera - größer ist besser!

Suchergröße, Sucher-Vergrößerung, effektive Suchergröße, Bildfeld - aber wie groß ist der Sucher denn nun?

Ein Thema, bei dem auch viele versierte Fotografen ins Straucheln geraten. Mir ging es bis vor Kurzem genauso. Was man tun muß um an der technischen Daten einer Kamera abzulesen, wie groß der Sucher der Kamera A im Vergleich mit dem Sucher der Kamera B ist, soll dieser Artikel erläutern.

Und so führe ich Sie von der Suchervergrößerung über den Crop-Faktor und dem Bildfeld zur effektiven Sensorgröße. Aber keine Sorge, das ist ganz einfach. Außerdem gibt es am Ende der Seite noch eine Tabelle mit vielen Beispielen zum Vergleichen.

Gehts nicht auch ohne Sucher?

Einige fotografieren heute wie die Handyknipser (fast) nur noch mit dem Bildschirm auf der Kamerarückseite. Manche weil sie es müssen, weil ihre spiegellose Kamera keinen Sucher hat, manche, weil sie sich vielleicht mit der Brillennutzung am Sucher schwer tun oder weil es ihnen einfach besser gefällt oder in wenigen Fällen, weil deren Sucher nicht viel taugt.

Vorteile der Suchernutzung

Im Gegensatz zum großen Bildschirm stört helles Umgebungslicht im Sucher nicht, während auf dem großen Bildschirm manchmal kaum noch etwas zu erkennen ist, wenn die Sonne ungünstig steht. Ist das Motiv dann auch noch dunkel, gerät die Bildgestaltung zum Glücksspiel, weil kaum zu erkennen ist, wo das Bild anfängt und wo es endet. Das kann sehr nervig sein. Zudem hat die Suchernutzung den Vorteil, daß die Kamera dabei am Kopf stabilisiert wird und auch die Arme meist besser am Körper fixiert werden können um die Kamera besonders ruhig zu halten. Der Bildschirmnutzer ist bei Freihandaufnahmen deshalb oft auf kürzere Belichtungszeiten angewiesen um nicht zu verwackeln. Optische Sucher haben darüber hinaus noch den Vorteil, daß das Bild grunsätzlich glasklar ist. Da flimmert nichts, da rauscht nichts, da gibt es keine Bewegungsschlieren und -verzögerungen. Der optische Sucher zeigt zudem auch bei ausgeschalteter Kamera das Bild an, weil er keinen Strom benötigt. Im Betrieb ist sein Verbrauch minimal und somit irrelevant. Auch kann das Sucherbild, je nach Kamera, schärfer und größer sein.

Große Sucher sind besser, winzige sind problematisch!

Je größer das Sucherbild ist, um so besser ist das Motiv inklusive seiner kleineren Details erkennbar. Ist der Sucher groß genug und im Falle von elektronischen Suchern auch fein genug aufgelöst, wird auch besser bzw. überhaupt erst erkennbar, wo im Bild die Schärfe sitzt und ab wo es unscharf wird. Ein großer Sucher erleichtert deshalb die präzise Bildgestaltung. Ist der Sucher dagegen winzig klein, ist es schwerer zu erkennen, ob die Schärfeebene da sitzt wo sie soll und manches Detail wird vielleicht ganz übersehen, weil es so winzig dargestellt wird, falls überhaupt.

Die Sucherbild-Vergrößerung (Viewfinder Magnification)

Die Hersteller machen keine Angaben zur Suchergröße in Millimetern oder Zentimetern, weil das auch kaum möglich wäre. Aber sie geben den Sucherbild-Vergrößerungswert an. Dieser gibt an, wie stark das Bild im Sucher der Kamera gegenüber dem Blick mit dem bloßen Auge vergrößert bzw. verkleinert wird.

Definiert wird dieser Vergrößerungs-Faktor folgendermaßen:

An die Kamera wird ein Objektiv mit 50 mm (echte) Brennweite angesetzt und auf unendliche Entfernung eingestellt. Bei einer Suchervergrößerung von 1,0-fach erscheint das Objekt, bzw. der sichtbare Teil davon, im Sucher ebenso groß wie das reale Objekt, wenn man mit bloßem Auge an der Kamera vorbei das Objekt betrachtet. Bei einer Suchervergrößerung von 0,7-fach erscheint das Objekt im Sucher folglich verkleinert, ist also nur noch 0,7 mal so groß wie das reale Objekt.

Nur wenige Kameras haben einen Sucherbild-Vergrößerungsfaktor von über 1,0. Bislang ist er meist kleiner als 1,0.

Von der Suchbild-Vergrößerung zur effektiven Sucherbildgröße

Der Vergrößerungsfaktor reicht für die Vergleichbarkeit der Suchergrößen aber nur, wenn die Bildsensoren der Kameras identisch groß sind (Fläche). Um die effektive Sucherbildgröße zu bestimmen, muss noch der Crop-Faktor, auch Formatfaktor genannt, berücksichtigt werden, weil er bei der Berechnung der Sucherbild-Vergrößerung außen vor bleibt.

Kurzer Exkurs zum Crop-Faktor:
An Kameras mit kleineren Bildsensoren als dem Kleinbildformat, also bspw. APS-C, mFT und 1" , tritt der Effekt ein, daß bei gleicher Brennweite nur ein Ausschnitt des Motivs abgebildet wird, verglichen mit dem Bild aus einer Kleinbildkamera. So als hätte man ins Motiv hinein gezoomt, also eine längere Brennweite genutzt.

Der Grund: Das Licht, daß durchs Objektiv in die Kamera scheint, trifft dort auf eine kleinere Bild-Sensorfläche. Die äußeren Motivteile können von diesem kleinen Sensor folglich nicht erfaßt werden. Und so könnte man den Effekt auch so beschreiben, dass, das Bild an den Rändern beschnitten wird. Deshalb muß bei der Brennweitenauswahl für Kameras mit kleineren Sensoren der Crop-Faktor (to crop = beschneiden) berücksichtigt werden, um die passenden Brennweiten zu bestimmen, die den gleichen Bildwinkel abbilden wie an einer Kleinbildkamera.

Um beispielsweise an einer APS-C-Kamera mit dem Crop-Faktor 1,5 das ganze Motiv so abzubilden wie eine Kleinbildkamera, muss statt des 50mm Objektivs, ein Objektiv mit entsprechend geringerer Brennweite (50mm geteilt durch 1,5), in diesem Fall ein leichtes Weiwinkelobjektiv mit 33 mm Brennweite verwendet werden. Damit verkleinert sich aber zwangsläufig auch die Abbildungsgröße im Sucher um den Crop-Faktor. Deshalb müssen nicht nur Brennweiten mit dem Crop-Faktor korrigiert werden, sondern auch der Sucherbild-Vergrößerungsfaktor um die (tatsächliche) effektive Sucherbildgröße zu ermitteln.

Anders herum erklärt und damit vermutlich verständlicher: Wir nehmen als Ausgangsbasis die Abbildung des Motivs im Sucher der APS-C-Kamera (grüner Rahmen in der folgenden Abbildung). Sehen wir anschließend durch den Sucher einer Kleinbildkamera (äußerer schwarzer Rahmen), sehen wir nun nicht nur das was wir im Sucher der APS-C-Kamera sehen und das identisch groß abgebildet (bei identischer Suchervergrößerung) sondern ein (viel) größeres Bildfeld, also noch jede Menge drum herum. Und um dieses Drumherum ist das effektive Sucherbild größer.

Sensorgrößen

Die Berechnung ist einfach

Hier läuft es wieder so einfach ab wie zuvor: Der Sucherbild-Vergrößerungsfaktor wird einfach durch den Crop-Faktor dividiert. Also bei Kleinbildkameras durch 1; bei APS-C-Kameras von Nikon, Pentax, Sony, Samsung und Fuji durch 1,5; bei APS-C-Kameras von Canon durch 1,6; bei mFT-Kameras von Olympus und Panasonic durch 2; und bei Kameras mit einem 1 Zoll - Sensor durch 2,7.

Das Bildfeld

Der Vollständigkeit halber müßte auch noch das Bildfeld berücksichtigt werden, aber diesen Aufwand kann man sich sparen, außer man will es ganz genau wissen, weil der Einfluß gering ist. Das Bildfeld gibt an, wieviel vom Motiv, wie es später auf der Speicherkarte landet, im Sucher abgebildet wird. Die Werte liegen zwischen 100% und 95%. Und so müssen nach obiger Berechnung nochmal bis zu 5% subtrahiert werden. Das betrifft zumeist nur ältere oder preiswertere Kameras, wie sie der nachfolgenden Tabelle entnehmen können.

Praktische Beispiele
Die Unterschiede sind viel größer, als es die geringen Unterschiede bei den Werten der effektiven Suchergröße erwarten lassen.
Sie werden außerdem nicht in jedem Fall dem eigenen persönlichen Eindruck entsprechen, weil nicht jeder mit jedem Sucher gleichermaßen gut zurecht kommt. Insbesondere Brillenträger tun sich mit einigen Suchern schwer, weil sie diese mit aufgesetzter Brille nicht ganz überblicken können.

Aber was sagen die Werte nun aus? Wie groß muß man sich die Sucher und die Unterschiede vorstellen? An dem Punkt wirds dann doch kniffelig. Der Sucher der Nikon D800 mit einer effektiven Suchergröße von 0,7 wirkt auf mich an der langen Kante geschätzt 7,5 cm lang. Zum Vergleich: Der große Bildschirm der Kamera ist gemessene 6,5 cm lang.

Ich hatte kürzlich eine Sony RX100M6 getestet, die laut Hersteller eine effektive Suchergröße von 0,59 haben soll. Ich kam mir regelrecht verschaukelt vor, so winzig wirkte das Sucherbild dieser ausgesprochen kleinen Kompaktkamera auf mich. An diesem sonnigen Tag war er mir zwar trotzdem lieber als der unzureichend helle Bildschirm, aber durch den ständigen Sucherwechsel zwischen der D800 und der Sony und damit der Dauerpräsentation des gewaltigen Unterschieds ärgerte mich der winzige Sucher so sehr, daß ich einige Tage später ganz froh war, daß ich die Kamera aufgrund eines technischen Defekts zurück geben mußte, denn mit der wäre ich womöglich nie warm geworden.

Wenn ich eine Vermutung anstelle, wie groß der Sucher der RX100 ist, würde ich sagen, höchsten 1/4 so groß, wobei er mir in der Erinnerung bestenfalls noch 1/8 so groß erscheint wenn überhaupt. Ich hatte leider nicht versucht, die Größe abzuschätzen. Andererseits habe ich den Sucher der Canon EOS 350D (0,48), der eine deutlich geringere effektive Suchergröße hat, im 15-jährigen Rückblick nicht so winzig in Erinnerung, denn damals kam ich mit diesem gut klar, wobei dieser nicht von diversen Anzeigen an den Rändern überlagert wird wie elektronische Sucher, bei denen es im Grunde ein Vorteil ist, aber eben auch nachteilig sein kann, wenn der Sucher sehr klein ist und viele der Anzeigen eingeblendet sein sollen.

Ich werde versuchen, zukünftig praktische Vergleiche anzustellen um ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie groß die Unterschiede tatsächlich sind bzw. auf mich wirken. Ich weiß aber noch, daß ich in grauer Vorzeit den Sucher meiner Canon EOS 350D (0,48) oder Canon EOS 40D (0,56) mit dem der Olympus E-520 (0,44) direkt verglichen hatte, und der Unterschied war immens, wobei ich das auch nicht mehr sicher beziffern kann. Vielleicht 1:2 bei der Fläche? Den fand ich sogar damals schon zu klein.

Jahr Kamera Format Art Vergrößerung dividiert
durch FF
multipliziert
mit Bildfeld
= effektive
Suchergröße
2021 Sony Alpha 1 KB E 0,9 1 100% 0,9
2019 Olympus OM-D E-M1X mFT E 1,652 2 100% 0,83
2020 Nikon Z7 II, Z9 (2021) KB E 0,8 1 100% 0,8
2022 Fujifilm X-H2S, X-H2 APS-C E 1,2 1,5 100% 0,8

2015 Sony Alpha A7R II, III (2017), IV (2019) KB E 0,78 1 100% 0,78
2015 Panasonic Lumix GX8 mFT E 1,54 2 100% 0,77
2022 Panasonic Lumix GH6 mFT E 1,52 2 100% 0,76
2021 Canon R3 KB E 0,76 1 100% 0,76
2017 Nikon D850 KB O 0,75 1 100% 0,75
2020 Olympus OM-D E-M1 Mark III mFT E 1,48 2 100% 0,74
2022 Canon R7 APS-C E 1,15 1,6 100% 0,72
2012 Canon 5D Mark III, IV (2016) KB O 0,71 1 100% 0,71
2019 Sony Alpha 6600 APS-C E 1,07 1,5 100% 0,71
2012 Nikon D800, D780 (2020) KB O 0,7 1 100% 0,7
2013 Panasonic Lumix GX7 mFT E 1,39 2 100% 0,7
2008 Canon 5D Mark II KB O 0,71 1 98% 0,7

2013 Canon 6D KB O 0,71 1 97% 0,69
2005 Canon 5D KB O 0,71 1 96% 0,68
2019 Nikon Z 50 APS-C E 1,02 1,5 100% 0,68
2016 Nikon D500 APS-C O 1 1,5 100% 0,67
2014 Panasonic Lumix GH4 mFT E 1,34 2 100% 0,67
2017 Nikon D7500 APS-C O 0,94 1,5 100% 0,63
2014 Canon 7D Mark II APS-C O 1 1,6 100% 0,63
2021 Fujifilm X-S10, X-E4 (2021), X-T30 II (2021) APS-C E 0,93 1,5 100% 0,62
2008 Nikon D90 APS-C O 0,94 1,5 96% 0,6

2019 Canon 90D APS-C O 0,95 1,6 100% 0,59
2022 Canon R10 APS-C E 0,95 1,6 100% 0,59
2009 Canon 1D Mark IV APS-H O 0,76 1,3 100% 0,58
2007 Canon 40D APS-C O 0,95 1,6 95% 0,56
2008 Canon 550D, 500D (2009), 450D (2010) APS-C O 0,87 1,6 95% 0,54
2016 Nikon D5600 APS-C O 0,82 1,5 95% 0,52
2010 Nikon D3100 APS-C O 0,8 1,5 95% 0,51
2015 Canon 750D, 77D (2017), 850D (2020) APS-C O 0,82 1,6 95% 0,49
2005 Canon 350D, 1300D (2016), 4000D (2018) APS-C O 0,8 1,6 95% 0,48
2008 Olympus E-520 FT O 0,92 2 95% 0,44

Art: Art des Suchers (E = elektronisch, O = optisch), FF = Formatfaktor
Bei der effektiven Suchergröße sind Rundungsabweichungen von +/- 0,01 möglich.

eigene praktische visuelle Vergleiche

Nikon D800 (KB) und Canon EOS M5 (APS-C): Die lange Seite des Sucherbildes der M5 erstreckt sich über ca. 82 Prozent des Sucherbildes der D800. Auf die Fläche gerechnet ist es damit ziemlich genau 1/3 kleiner. Für die Bildgestaltung ist das zwar noch ganz brauchbar, aber für die Beurteilung wo die Schärfeebene verläuft, ist das bereits ein Problem. Die Sucherauflösung der M5 beträgt 1080*720 Pixel (2,36 Millionen Subpixel). Die mittelmäßige Auflösung ist möglicherweise ein Teil des Problems. Leider gibt es keine offizielle Angabe zur Suchergröße der M5.